Verleihung der Marktrechte an Niederfischbach
Im Jahr 1560 „begnadigte“ Kaiser Ferdinand I. (1556-1564) auf die Fürsprache des Grafen Adolf zu Sayn Niederfischbach mit zwei Jahrmärkten.
Der Text der Urkunde, die im Staatsarchiv in Koblenz aufbewahrt wird, lautet:
Wir,
Ferdinand, von Gottes Gnaden, erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches in Germanien, in Ungarn Böhmen, Dalmatien, Croatien und Slovenien und König Infant in Spanien, Erz-Herzog von Östereich, Herzog von Burgund, Brabant, Steyr, Kärnten, Krain, Luxemburg, Württemberg Ober- und Niederschlesien, Fürst zu Schwaben, Markgraf des Heiligen Römischen Reiches, im Burgau, in Mähren, Ober- und Niederlausitz, fürstlicher Graf von Habsburg, Tirol, Pflyrdt, Kyburg und von Goriz, Landgraf im Elsaß, Herr der Wendischen Mark, in Portenaw und zu Salins bekennen mit diesem Brief öffentlich und tun allgemein kund:
Wiewohl es uns als Römischer Kaiser zusteht und gebührt, aller und jeglicher unserer und des Heiligen Reiches Untertanen und Getreuen Wohlfart und Bestes zu fördern, so ist doch unser kaiserliches Gemüt billig mehr geneigt, diejenigen mit unseren kaiserlichen Gnaden und Freiheiten zu versehen, welche sich gegen uns und dem Heiligen Reich in steter, gehorsamer und getreuer Dienstbarkeit vor anderen erzeigen und halten
Wenn uns nun der edle, unserer und des Reiches lieber getreuer Adolf Graf zu Sayn untertäniglich vorbringen lassen, wie in seiner Grafschaft drei Flecken gelegen, nämlich Bendorf, Flammersfeld und N i d e r f i s c h p a c h, welche, wenn sie mit gemeinen Jahrmärkten versehen und begnadigt, nicht allein für sich selbst, sondern auch ihre benachbarten und andere, welche dieselben Märkte gebrauchen und besuchen würden, zu besonderem merklichen Nutz aufnehmen und Gedeihen kommen möchten. Und uns darauf gehorsamlich angesucht und gebeten, dass wir gedachte drei Flecken hierin mit Gnaden zu bedenken und zu versehen gnädiglich geruhten, so haben wir demnach gnädiglich angesehen, gemäß Graf Adolfen zu Sayn untertänig demütiger Bitte, auch der angenehmen, getreuen und ersprießlichen Dienste, welche seine Voreltern und er weiland unseren Vorfahren, Römischen Kaisern und Königen, auch uns und dem Heiligen Reiche immerweg erzeigt und bewiesen haben, und er hinfort nicht weniger gehorsamlich zu tun erbietig ist, auch wohltun mag und soll, und darum mit wohlbedachtem Mut, gutem zeitigem Rat und Rechterweisung, auch von besonderen Gnaden wegen, ausgewählte Flecken, jeden mit zwei Jahrmärkten, nämlich zu Bendorf auf Montag vor Michaelis und folgens den Donnerstag nach omnium Sanctorum, zu Flammersfeld auf Sonntag Cantate und Montag vor Martini, und dann zu N i d e r f i s c h p a c h auf Sanct Walpurgen Tag und nochmals auf Montag vor Bartholomei alle Jahr jährlich zu halten, gnädiglich versehen und befreit, dieselben Jahrmärkte auch mit kaiserlichen gewöhnlichen Freiheiten, acht Tag davor und acht Tag dannach begabt haben. tun ihnen auch solche Gnad, versehen, befreien und begaben sie, jetztgemeltermaßen, von Römischer Kaiserlicher Macht hiermit wissentlich in Kraft dieses Briefes. Und meinen, setzen und wollen, dass angeregte Flecken Bendorf, Flammersfeld und N i d e r f i s c h p a c h derselben Einwohner und all ihrer Nachkommen, nun hinfüran in ewige Zeit gewährten Gnaden und Freiheiten haben, und die Jahrmärkte auf oben benannte Zeit und Tag jährlich mit kaiserlichen gewöhnlichen Freiheiten, acht Tag davor und acht Tag danach wie vorsteht halten, auch sie und alle diejenigen, die solche Jahrmärkte mit ihren Waren und Kaufmannschaften, Hab und Gütern besuchen, dazu und davon ziehen, freifeilen kaufen und verkaufen, und sonst alle und jegliche Gnad, Freiheit, Fried, Geleit, Freiung, Schutz, Schirm, Recht, Gerechtigkeit und gute Gewohnheit haben und sich des alles freuen, gebrauchen und genießen sollen und mögen, wie auch andere Flecken der Erde im Heiligen Reich ihresgleichen, welche mit solchen Jahrmarktfreiheiten versehen sind, auch diejenigen, welche dieselben mit ihren Kaufmannswaren, Erzeugnissen und ihn anderweg besuchen, sich von Rechts oder Gewohnheit wegen freuen und gebrauchen, von jedermann ungehindert; doch uns und dem Heiligen Reich an unseren Hoheiten und Obrigkeiten, auch sonst jedermann an seinen Rechten und Gerechtigkeiten unvergriffen und unschädlich.
Und gebieten darauf allen und jeglichen, geistlichen und weltlichen Churfürsten, Fürsten, Prallten, Grafen, Freiherren und Rittern, Knechten, Landeshauptleute, Landvögten, Hauptleuten, Vögten, Pflegern, Verwesern, Amtleuten, Schulteisen, Bürgermeistern, Richtern, Räten, Bürgern, Gemeinden und sonst allen anderen unsern und des Reiches Untertanen und Getreuen, welches Würdenstandes oder Wesens sie immer seien, ernstlich und festiglich mit diesem Brief und Willen, dass sie erwählte drei Flecken, Bendorf, Flammersfeld und N i e d e r f i s c h p a c h und die Einwohner daselbst, auch all ihre Nachkommen, bei diesen unseren Gnaden und Freiheiten treulich bleiben, und deren wirklich erfreuen und genießen lassen, auch sie und all diejenigen, so bestimmte Jahrmärkte oben gehörtermaßen besuchen werden, nicht hiergegen dringen, anfechten, verhindern, noch beschweren, noch dass jemands anderm in irgendeiner Weise zu tun gestatten; außer wenn es lieb sei, unser und des Reiches schwere Ungnade und Strafe dazu, mählich eine Pein von dreißig Mark lötigen Goldes nicht zu vermeiden, die ein jeder, so oft er freventlich zuwiderhandelt, halb uns in unsere und des Reiches Kammer, und den anderen halben Teil obengenannten Grafen Adolf zu Sayn, seinen Erben und Nachkommen, Inhabern angezeigter dreier Flecken unnachläßlich zu bezahlen verfallen sein solle.
Mit Verkündung dieses Briefes, besiegelt mit unserem kaiserlichen anhängenden Insiegel, der gegeben ist in unserer Stadt Wien am einundzwanzigsten Tag des Monats September nach Christi unseres lieben Herrn Geburt fünfzehnhundert und im Sechzigsten, unserer Reiche, des römischen, im dreißigsten und der anderen im vierunddreißigsten Jahr.
Niederfischbach wird Marktflecken
Niederfischbach war nun Marktflecken. Das damals noch kleine Kirchspieldorf hatte an den beiden Markttagen, am Walpurgistag, 25. Februar, und am Montag vor Bartholomäus, 24. Augustus, die gleichen Marktrechte wie beispielsweise die freie Reichsstadt Frankfurt. Es müssen schon besondere Gründe bestanden haben, dass gerade Niederfischbach und nicht etwa die anderen Kirchspielorte Kirchen, Gebhardshain oder Daaden mit einem Markt belehnt wurden.
Sicher waren es maßgebend wirtschaftliche Gründe. Wurden doch durch diese beiden Jahrmärkte, die von 1560 an alljährlich abgehalten wurden, Handel und Gewerbe des gesamten Kirchspiels, der Herrschaft Freusburg und darüber hinaus der gesamten Reichsgrafschaft Sayn wesentlich belebt.
In Niederfischbach haben neben den Bauern, der Bergbau, die Schmieden und Hammerwerke, die Köhler, die Gerbereien und Nagelschmiede sicherlich von dem neuen Recht profitiert. Vielleicht spielte auch das unmittelbar benachbarte Freudenberg, der „Flecken“, eine Rolle für die Verleihung der Marktrechte. Lag doch der „Flecken“ im benachbarten „Ausland“, und vielleicht sollte ihm ein Konkurrenzmarkt geschaffen werden. Die Tatsache jedenfalls, dass alle drei Dörfer, die in der Urkunde aus dem Jahre 1560 genannt werden, an der Grenze der Grafschaft Sayn liegen, legt diese Vermutung nahe. Es scheint Graf Adolf zu Sayn gerade um die Rand- und Grenzgebiete seiner Herrschaft gegangen zu sein. Kamen zum Markt in Niederfischbach doch auch die Bauern, Handwerker und Kaufleute aus dem benachbarten Wildenburgischen, Kurkölnischen, Westfälischen und Nassauischen.
Ein weiterer möglicher Grund für die Verleihung der Marktrechte ist vielleicht im größeren Zusammenhang mit der Geschichte des ganzen Reiches zu sehen. Kaiser Ferdinand I. war bereits vor seinem Regierungsantritt bestrebt, die Reformation und ihre Folgen für das Reich einer friedlichen Lösung zuzuführen. Der katholische Kaiser war auch auf einen politischen Ausgleich mit den protestantischen Fürsten bedacht. Er war maßgeblich beteiligt am Zustandekommen des Augsburger Religionsfriedens von 1555, der den Fürsten überließ, die Religionszugehörigkeit ihrer Herrschaft zu bestimmen „cuis regio, eius religio“ – wessen die Herrschaft, dessen die Religion-. In seinen Erblanden stellte er sich zwar tatkräftig an die Spitze der katholischen Gegenreformation, zeigte sich aber nicht starr und unnachgiebig gegenüber den protestantischen Reichsständen. Da nun der Reichsgraf zu Sayn im Jahre 1560 noch dem katholischen Glauben angehörte, zeigte sich Kaiser Ferdinand den Wünschen der Sayner bezüglich der Verleihung der Marktrechte schon allein deshalb zugeneigt, um diese dem katholischen Glauben zu erhalten. Doch die Sayner begannen bereits im darauffolgenden Jahr mit der Einführung der Reformation. Niederfischbach wurde evangelisch, hatte aber sein Marktrecht.
Aus Jahrmarkt wurde die „Föschber Kirmes“
Wann der Jahrmarkt am „Walpurgentag“ im Februar einschlief, ist uns nicht bekannt. Doch der Jahrmarkt am „Montag vor Bartholomei“ im August findet heute noch statt, wenn auch nicht mehr nur am Montag und auch nicht mehr als reiner Jahrmarkt. Aus dem Jahrmarkt hat sich eine bedeutende, über die Ortsgrenzen hinaus bekannte Kirmes entwickelt. Auch heute noch kommen Händler von auswärts, stellen ihre Stände und Buden ab Marktplatz entlang der Konrad-Adenauer-Straße auf und preisen ihre Waren an. Genau wie in den alten Zeiten wird von ihnen Standgeld erhoben, nicht vom Schreiber des gräflichen Amtmanns der Freusburg, sondern vom Angestellten der Gemeinde. Auffällig und sehr begehrt sind heute die Fahrgeschäfte, die Kinder und Erwachsene zur aufregenden oder Schwindel erregenden Fahrt locken.
Besonderer Beliebtheit erfreut sich der Kirmesdienstag, der „Maatdeesdich“. An dem feiern die Fischbacher die Kirmes unter sich. Man schlendert die Konrad-Adenauer-Straße entlang, kauft Nützliches oder weniger Nützliches, trifft sich mit Freunden und Verwandten an den vielen Ess- und Getränkeständen.