Streifzüge durch drei Jahrzehnte

Viktor Fieber dokumentiert seit 30 Jahren Tiere und Pflanzen im Hahnhof

Ob Schmetterling oder Eidechse: Was auch immer im Hahnhof unterwegs ist, hält Einzug in Viktor Fiebers Notizbücher.

damo ■  Socke, Rover und Primel werden es nicht mitbekommen haben – aber wenn ihr Herrchen mit ihnen die tägliche Runde durch das Asdorftal gedreht hat, dann haben sie nicht alleine die Hauptrolle gespielt. Denn wenn Viktor Fieber durch die Natur stapft, dann hat er seine Augen und Ohren überall: Er hört, wenn ein Zaunkönig trällert, er sieht, wenn sich ein Aurorafalter auf einer Blüte niederlässt, und er nimmt wahr, wenn die Wiesenflockenblume in voller Blüte steht. Und all das hält er akribisch fest: In seinem Arbeitszimmer stapeln sich Notizbücher und Kladden mit Naturbeobachtungen.

Seit 30 Jahren lebt Fieber am Waldrand im Niederfischbacher Ortsteil Hahnhof. Seit 30 Jahren ist er Tag für Tag draußen unterwegs – und seit 30 Jahren schreibt er anschließend auf, was er gesehen hat. Warum? Weil ihn begeistert, was er bei seinen Streifzügen wahrnimmt: „Ob du dir den Samen des Löwenzahns aus der Nähe anschaust oder einer Lerche beim Singen zuhörst: Das ist ein Geschenk.“

Natürlich kommt ihm bei seiner jahrzehntelangen Bestandsaufnahme zugute, dass er sich ein enzyklopädisches Wissen angeeignet hat: Es dürfte weit und breit keinen Schmetterling geben, den Fieber nicht bestimmen kann, und auch im Reich der Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere und Pflanzen erwischt ihn kaum einer auf dem falschen Fuß.

Also dürfen seine Beobachtungen durchaus als fundiert bezeichnet werden. „Und ich denke, es wäre zu schade, wenn sie irgendwann im Mülleimer landen würden“, sagt Fieber. Zwar liefert er seine Daten schon lange an den NABU und eine Sammelstelle der Schmetterlingskundler – aber darüber hinaus ist ein besonderer Schatz entstanden: Kaum ein Fleckchen im AK-Land dürfte über eine so langen Zeitraum so umfassend dokumentiert worden sein wie Fiebers „Revier“.

Das erstreckt sich von Junkernthal nach Farnschlade, von Süßelberg bis Wüstseifen. Vor allem aber ist es der Hahnhof, seine unmittelbare Nachbarschaft. Hier schlängelt sich die Asdorf durch vergleichsweise wilde Wiesen, hier gibt es magere Hänge und Mischwald. Entsprechend groß ist die Artenvielfalt: „Das ist ein kleines Paradies.“

Jetzt hat der pensionierte Grundschullehrer die wichtigsten Ergebnisse in einem kleinen Buch zusammengetragen. Darin ist festgehalten, wann ihm das letzte Mauswiesel begegnet ist, wann er zuletzt ein Schwarzkehlchen im Asdorftal gesehen hat und welche wärmeliebenden Tagfalter in den letzten Jahren bei uns Fuß gefasst haben.

Selbstredend lassen sich aus den Aufzeichnungen auch Trends und Entwicklungen ablesen. Wenig überraschend: „Es wird auch hier weniger“, sagt Fieber. Aber trotzdem tut ihm seine Bestandsaufnahme nicht nur weh: „Im Siegerland kommt uns zugute, dass wir keine riesigen Agrarsteppen haben wie zum Beispiel im Münsterland.“ Und: „Man kann außerdem gut erkennen, dass die Natur sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Sie findet immer einen Weg“, sagt er und deutet auf einen nahegelegenen Bergrücken. Vor zwei Jahren standen dort noch Fichten – mittlerweile ist die Borkenkäferbrache grün. „Das ist ein ständiges Kommen und Gehen von Arten, die Natur passt sich an die Rahmenbedingungen an“.

Das ist ein ständiges Kommen und Gehen
von Arten, die Natur
passt sich an die Rahmenbedingungen an.

Viktor Fieber

Naturbeobachter
Allerdings: Das trifft nur begrenzt zu – da, wo der Mensch die Natur zu vehement zurückdrängt, enden auch ihre Selbstheilungskräfte. Das weiß auch Viktor Fieber, und deshalb ist er dabei, seine Naturbeobachtung unters Volk zu bringen. So hat er praktisch alle Nachbarn im Hahnhof mit seiner Zusammenfassung versorgt, und auch an die Entscheidungsträger hat er gedacht: „Der Landrat hat auch schon ein Exemplar bekommen, und die Untere Naturschutzbehörde natürlich auch. Wenn also jemand über neue Bauplätze im Hahnhof nachdenkt: Eine genaue Artenliste liegt bereits vor, da kommt man nicht mehr dran vorbei.“

Quelle: Siegener Zeitung – Daniel Montanus – 25.08.2021