Nationalsozialismus

Die nationalsozialistische Diktatur – Beginn der Schreckensherrschaft

Freie Wahlen – ein Grundsatz im demokratischen Staat, von den Nationalsozialisten schändlich missachtet. Die letzten Wahlen nach der Machtergreifung Hitlers, bei denen überhaupt unter verschiedenen Parteien gewählt werden konnte, fanden am 5. März 1933 statt, und das Wahlergebnis in Niederfischbach ist in der Chronik der katholischen Volksschule niedergeschrieben: Zur Wahl zum Reichstag, zum Landtag und zum Kreistag stand die Nationalsozialistische Arbeiterpartei, zusätzlich Hitlerbewegung genannt, als Liste 1 auf dem Stimmzettel und erhielt bei 1185 Wahlberechtigten 50 Stimmen bei der Reichstagswahl bzw. 53 Stimmen bei Landtag und Kreistag.

Für die Nationalsozialisten sollte und musste sich aber ein solches Ergebnis ändern. Und so stimmten bei der Reichstagswahl am 12. November desselben Jahres – zu der nur eine einzige Wahlliste vorlag, die „Einheitsliste der NSDAP“ – von 1162 Wählern 948 für die NSDAP. Von Gesinnungswandel kann man bei den Fischbacher Bürgern wohl nicht ausgehen, vielleicht eher von Unwissenheit. Oder aber die Menschen hatten Angst vor Terror und Gewalt, falls sie nicht zur Wahl erschienen oder falls sie geheim in der Wahlkabine gewählt hätten. Durch geheime Wahl machte man sich schon bei den Parteiangehörigen verdächtig. Am Ende waren 214 Stimmen ungültig, was wohl doch von einigen mutigen Wählern zeugt.

Der Wahlzettel zur Reichstagswahl am 12, November 1933 enthält nur noch die Einheitsliste der NSDAP.

Das Niederfischbacher Wahlergebnis mit etwa 20 % ungültigen Stimmen – „Neinsager“ können wir behaupten – muss für die Nationalsozialisten ein schlechtes Ergebnis gewesen sein, vor allem im Vergleich zu anderen Gemeinden des Kreises. Bei der Volksabstimmung am 19. März 1934 zur Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in der Hand Hitlers gab es sogar 338 Gegenstimmen, 53 Stimmen waren ungültig, drei Umschläge leer. Das waren fast 30 % der Stimmen gegen Hitler, obwohl „jede Gemeinde ihre höchste Ehre darin sehen … müsse, dass sie hundertprozentig mit Ja stimme“, was in einem Rundschreiben des NSDAP Gaus Koblenz-Trier-Birkenfeld kurz vor der Wahl verbreitet worden war.

Wie überall, so auch in Niederfischbach, begannen die Nationalsozialisten ihren Einfluss geltend zu machen: Die Rothenbergstraße war schon 1933 in Adolf-Hitler-Straße, die Auengartenstraße in Franz-Seldte-Straße umbenannt worden, die Bürgermeister Albert Weitz in Niederfischbach und Robert Pfeiffer in Hüttseifen wurden im selben Jahr ihrer Ämter enthoben. Dafür waren die Parteigenossen Paul Schmidt und Karl Graf eingesetzt worden. Im Gasthof Anker fanden Parteiveranstaltungen statt, Kundgebungen mit bekannten Rednern und Radioübertragungen wurden auf dem Marktplatz organisiert, Märsche durch den Ort durchgeführt, aber es war den Nazis nicht möglich, in Niederfischbach eine eigene Ortsgruppe zu bilden. Niederfischbach gehörte als Block oder Zelle zur Ortsgruppe Wehbach.

Es gibt heute fast keine Unterlagen oder Zeugnisse von Mitgliedern oder Sympathisanten für die NSDAP, doch die Einstellung des Lehrers Utthoff, der 1936 von Fischbacherhütte nach Alsdorf versetzt wurde, ist unmissverständlich, wenn er in der Chronik schreibt: „29.3.1936: In der Schule Fischbacherhütte wählte die Gemeinde Hüttseifen. Für die Politik des Führers stimmten mit Ja 576 Volksgenossen, mit Nein 1 armer Säckel. Die Wahlbeteiligung war 100 %.“
Dagegen lautet die Nachricht in der Zeitung „Siegblätter/Sieg Post“ vom 30. September 1940 anders: „Niederfischbach: Dorfabend der HJ: Turnen, Sport. Ortsgruppenleiter Müller, Wehbach, verurteilt die Einstellung der älteren Dorfgenossen und Erzieher von Niederfischbach, die den Abend sehr schlecht besucht hatten.“

Hitlers Bestreben, seine Macht zu stützen, sollte durch die Beseitigung der Arbeitslosigkeit erreicht werden. Daher wurden viele Maßnahmen ergriffen, Arbeitslosen Arbeit zu verschaffen. In Niederfischbach sollte im Steinseifen, oberhalb vom Hoppegarten, eine größere Haubergsfläche gerodet werden. „Es sollen dort insgesamt 120 Haubergsmorgen zu Acker- bzw. Weideland umgearbeitet werden. Es sind augenblicklich 100 Erwerbslose dort beschäftigt“, schreibt Rektor Mohr im Dezember 1933 in der Chronik der katholischen Volksschule. Und Lehrer Externest, der nach seiner Versetzung nach Wehbach dort Ortsgruppenleiter der NSDAP wurde, schreibt in der evangelischen Chronik: „Für die Gemeinde werden … von Arbeitslosen neue Wege gebaut, alte ausgebessert.“

Arbeiter bei der Rodung im Steinseifen

Er schreibt weiter: „… und mancher Arbeiter und Bergmann erhielt in den Fabriken und Gruben der näheren Umgebung eine Arbeitsstelle. So wirkt sich die neue Reichsmacht auch auf arbeitspolitischem Gebiet aus. Ein neuer Geist erfasst zunächst die jüngeren Volksgenossen, dann die Jugend und nach und nach auch das Alter.“ Von seiner nationalsozialistischen Gesinnung geblendet, schreibt er aber nicht von der Unzufriedenheit in der Arbeiterschaft wegen zu geringer Löhne, steigenden Preisen und aufkommender Not, so dass auch Niederfischbach durch das Winterhilfswerk (WHW) unterstützt wurde. Es kamen „etwa für 8000 RM Lebensmittel, Kleidungsstücke und Bezugsscheine in unser Dorf.“ Mit Begeisterung schreibt er weiter, dass sich die Gemeinde an den Sammlungen zum WHW beteiligte, wobei auch die Schüler fleißig halfen. Überhaupt wurden diese zu vielfältigen Arbeiten herangezogen: Sie halfen beim Einbringen der Ernte, sammelten Ähren auf den abgeernteten Feldern, Waldbeeren, Bucheckern, Heilkräuter, auch Altmaterial. Das alles wurde verkauft, um Notleidende zu unterstützen. In den Kriegsjahren sammelten sie, zum Teil während der Unterrichtszeit, auch Zeitschriften für die Front.

Unermüdliche und mutige Seelsorger während der nationalsozialistischen Zeit

Zur Zeit des Nationalsozialismus wirkten zwei Pfarrer in Niederfischbach, die es wagten, sich öffentlich gegen die Ideologie und gegen die Verbote des Unrechtsregimes zu stellen: Konrad Engel, der Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde und Hans Georg Groß, der Pfarrer, der evangelischen Kirchengemeinde Freusburg-Niederfischbach.

Schon während seiner Kaplanszeit 1927-1932 in Niederfischbach war Konrad Engel insbesondere der Jugend zugetan. In der folgenden Zeit als Pfarrer in Guntweiler, Regierungsbezirk Trier, legte er ebenso großen Wert auf die Jugendarbeit. Er ließ auch nicht davon ab, als die Machthaber des Dritten Reichs die kirchlichen Jugendorganisationen immer mehr einschränkten. Daher wurde er 1935 verhaftet und für ein halbes Jahr gefangen gehalten. Nach seiner Entlassung wies die Gestapo ihn aus dem Regierungsbezirk Trier aus, er erhielt 1938 eine Pfarrstelle im Regierungsbezirk Koblenz: Am 30. Oktober 1938 wurde er in Niederfischbach eingeführt, das ihm ja vertraut war.

Obwohl mittlerweile kirchliche Jugendarbeit von den Nationalsozialisten verboten worden war, hielt Pfarrer Engel weiterhin Gruppenstunden mit den Jugendlichen. Elisabeth Burghaus, Mia Schepp und andere erzählen heute noch, dass sie sich gerne mit ihm und Kaplan May im sogenannten Jugendheim in der Fillbach, die Jungen in einem Raum im Pfarrhauskeller trafen. Wie Pfarrer Engel wurde auch Kaplan May von der Gestapo verfolgt. Er wurde am 21. März 1940 zur „geheimen Staatspolizeistelle Koblenz bestellt“. Er kehrte nicht zurück und wurde am 26. August 1940 von einem Sondergericht in Koblenz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Der katholische Pfarrer Konrad Engel

Seit Beginn seines Dienstes in Niederfischbach stand Konrad Engel unter Beobachtung der Gestapo. Die Gestapoleitstelle Koblenz ermittelte gegen ihn seit dem 21. März 1939, „weil er eine Andacht für die bedrängten Juden abgehalten haben soll. Allerdings: „Beweise waren nicht zu erbringen“, heißt es im Kurtrierischen Jahrbuch, Sonderdruck 1996. Er scheute sich nicht, nach der Einführung der „deutschen“ Gemeinschaftsschule, eine Simultanschule nach den Richtlinien der NSDAP, am 23. April 1939 von der Kanzel gegen die Entfernung der Kruzifixe aus den Schulsälen zu protestieren und ein entsprechendes Schreiben an den Regierungspräsidenten zu senden. „Nachmittags gut besuchte Sühneandacht“, schreibt er in der Pfarrchronik.

Dass seine Haltung und seine Arbeit den Nationalsozialisten nicht gefielen, kann man auch daraus schließen, dass ihm ab November 1939 kein Gehalt mehr gezahlt wurde. Die von der Pfarrgemeinde für ihn durchgeführten Kollekten wurden 1940 von der Gestapo eingezogen. Konrad Engel wurde daraufhin mehrmals verhört und das Geld nach Verfügung des Regierungspräsidenten in Koblenz „als staatsfeindlich zu Gunsten des Deutschen Reiches“ einbehalten, steht in der Pfarrchronik. Eine Verhaftung gab es nicht, vielleicht, weil die Pfarrgemeinde hinter ihrem Pastor stand und ihn unterstützte. Gern gesehen wurde das von den Parteigenossen nicht. Als Mitglied des Kirchenvorstandes wurde Jean Morgenschweis, Vater von Toni Morgenschweis, vom Gemeindevorsteher Schmidt dazu verhört.

1951 verließ Pfarrer Konrad Engel Niederfischbach und übernahm die Pfarrstelle in Eiweiler an der Saar.

Auch Pfarrer Hans Georg Groß, von 1934-1951 Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Freusburg-Niederfischbach, bekam die Machenschaften des NSDAP-Regimes zu spüren. Er gehörte der Bekennenden Kirche an. Deren Mitglieder bekannten sich zum wahren christlichen Glauben und nicht zu dem von den Nazis mit ihren Ideologien „verfärbten“ Glauben der Deutschen Christen. Von den damaligen Machthabern wurde die Bekennende Kirche als Opposition angesehen. Mutig ließ sich Pfarrer Groß nicht davon abbringen, in seinen Reden in Niederfischbach und Freusburg seiner Gemeinde das Wort Gottes nach der Schrift zu verkünden und sogar gegen die nationalsozialistische Doktrin zu predigen. „Das Heil kommt nur von Jesus Christus und nicht von einem Menschen“, sagte er von der Kanzel. Wegen solcher Aussagen wurde er genau beobachtet und seine Gottesdienste überwacht. Er wurde bespitzelt, öfters verhört und verhaftet. Genau wie Konrad Engel wurde ihm das Gehalt verboten. Auch seine Gemeinde führte Kollekten für ihn durch, die oft genug bei den Gemeindemitgliedern versteckt wurden, damit sie nicht beschlagnahmt werden konnten. Durch diese Unterstützung und durch das mutige Auftreten für ihren Pfarrer, besonders vom damaligen Kirchmeister Otto Strunk, konnte Hans Georg Groß seinen Dienst bis nach dem Krieg in der Kirchengemeinde versehen. 1952 verließ er Freusburg-Niederfischbach und wurde Pfarrer in Königswinter.

Der evangelische Pfarrer Hans Georg Groß